BUND-Landesverband Hamburg

Neophyten nutzen & stoppen!

15. April 2020 | Naturerlebnisgarten Wilhelmsburg, Öko-Tipp

Neophyten

Nicht nur in Wirtschaft, Wissenschaft und Medien ist die Globalisierung ein Thema – sondern auch im Naturschutz. Mit dem verstärkten globalen Austausch von Waren werden auch Pflanzen und Tiere über weite Strecken in Gebiete gebracht, in denen sie ursprünglich nicht heimisch sind.

In Deutschland sind bisher einige tausend neue Tier- und Pflanzenarten durch menschliches Zutun "eingewandert". Diesen Austausch hat es auch in vergangenen Zeiten schon gegeben. Einige der vor Jahrhunderten eingewanderten "Neubürger" sind längst als Bereicherung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt oder wichtige Nutzpflanzen integriert. Viele uns vertraute Pflanzen wie Kulturapfel, Birne, Pflaume und Getreidearten wie Weizen und Gerste sowie Blumen und Heilpflanzen, z.B. Klatschmohn, Kornblume, Echte Kamille und Kornrade, sind mit den Römern zu uns gekommen.
Alle Pflanzen, die nach der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 nach Mitteleuropa gelangt sind, werden als Neophyten bezeichnet. Das sind etwa 12.000. Davon haben sich aber nur etwa 100 Pflanzen so "eingebürgert", dass sie als Teil unserer heimischen Flora angesehen werden.

Einige der Neophyten gelten als invasiv, d.h. sie verbreiten sich sehr schnell und sind in ökologischer, ökonomischer oder gesundheitlicher Hinsicht bedenklich. Für den Naturschutz sind die invasiven Arten ein Problem, da sie in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen andere Arten oder ganze Artengemeinschaften verdrängen können. So wurde z.B. die einheimische Bibernell-Rose durch die neophytische Kartoffel-Rose in den Dünen Norddeutschlands verdrängt. Ein weiteres Beispiel ist das Indische Springkraut als mitunter einziger Bewuchs von Bachufern. Invasive Arten können auch die Standortbedingungen und damit ökologische Kreisläufe verändern. Die Robinie z.B. siedelt in brach fallendem Halbtrockenrasen und begünstigt durch ihre Stickstoffanreicherung im Boden weitere, die Halbtrockenrasenarten verdrängende Arten. Weniger offensichtlich und nur mit Labormethoden nachweisbar sind Einkreuzungen der Gene von Neophyten in einheimische Arten (z.B. durch Gartenformen der Gemeinen Akelei). Dies führt zum unmittelbaren Verlust einzelner Gene und damit von genetischer Vielfalt sowie zu einer schleichenden Veränderung der Art, die unter Umständen komplett durch den Neophyten "ersetzt" wird.
Neben dem Anbau in Land- und Forstwirtschaft gibt es weitere Möglichkeiten der Einschleppung und Freisetzung: Kanäle und Straßen dienen als Wanderwege, Gartenabfälle werden in der freien Landschaft "entsorgt" etc. Insgesamt nimmt die Bedeutung invasiver Arten in Wirtschaft, Wissenschaft, Recht und auch im Naturschutz zu. 

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Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Auch der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) gilt in Europa und Nordamerika als unerwünschte, weil problematische, weil invasive Art. Wie der Name schon vermuten lässt, stammt er ursprünglich aus Japan, China und Korea. Die Pflanzenart wurde im 19. Jahrhundert als Zier- und Viehfutterpflanze nach Europa und Nordamerika gebracht. Auch in der Forstwirtschaft wurde der Japanische Staudenknöterich gezielt angebaut - als Äsungspflanze für Rotwild sowie als Deckungspflanze für Fasane. Allerdings wird er als Äsung nicht angenommen und ist als Deckungspflanze, auf Grund des Blattfalls im Spätherbst, wenig geeignet. Großzügig an seiner Ausbreitung beteiligt waren zudem Imker, da der Japanische Staudenknöterich im Frühherbst eine exzellente Bienenweide bietet. Der Japanische Staudenknöterich zählt damit zu den Pflanzen, die gezielt eingeführt. 
Heute findet man den Japanischen Staudenknöterich in Mitteleuropa sowohl in Gärten als auch im Freiland wild wuchernd. Man findet ihn fast überall; besonders aber auf nassen, grundwassernahen, selbst zeitweise überfluteten, nährstoffreichen, meist kalkarmen, tonigen Kies- oder Schotterböden. Dort kann er massenhaft auftreten und in starkem Maße andere Arten verdrängen. Für die heimische Flora ist der Japanische Staudenknöterich problematisch, weil er sich aufgrund seiner außergewöhnlichen Wuchskraft und Robustheit erfolgreich durchsetzt. Derart erfolgreich macht ihn seine vegetative Vermehrung. Unter der Bodenoberfläche, in mehreren Schichten übereinander, bildet diese Pflanze horizontale Rhizome („Kriechsprosse“) aus. Der Japanknöterich kann dadurch sehr schnell ausgedehnte und sehr dichte Bestände bilden. So besiedeln sie, beispielsweise mit Gartenabfällen oder Baustellenaushub verbracht, rasch einen neuen Lebensraum. Teile von Wurzelstöcken werden auch vom Hochwasser mitgerissen. Im Frühling treibt er aus seinen Rhizomen, die unter günstigen Bedingungen innerhalb weniger Wochen eine Wuchshöhe von 3 bis 4 Metern erreichen, wobei die Pflanze einen Zuwachs von 10 bis 30 Zentimeter pro Tag erreichen kann. Die anfangs aufrechten, bald aber schräg bis waagerecht überhängenden Stängel sind hohl. Weil zum Hochsommer hin die Wipfel der ungemähten Triebe sich in die Waagerechte neigen und die Laubblätter horizontal ausbreiten, wird der Boden unter solch dichten Beständen dermaßen beschattet, dass selbst Graswuchs abstirbt. 
Die Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterichs stellt sich als schwierig dar. Das mühsame Ausreißen der Erdkriechsprosse ist nach deren Verholzung und wegen ihrer Brüchigkeit kaum praktikabel. Durch eine wiederkehrende Mahd werden den unterirdischen Sprossteilen allmählich die Energiereserven genommen und die Pflanzen „verhungern“ nach mehrjährigen Bemühungen. Neben den arbeitsaufwendigen mechanischen Verfahren – die in der Regel nur unbefriedigende Ergebnisse zeigten – wird der Staudenknöterich mit Breitbandherbiziden kontrolliert. Doch wir werden wohl auch in Zukunft mit dem Japanischen Staudenknöterich und anderen Neophyten leben müssen.


Nutzung
Wenn wir den Japanischen Staudenknöterich nun also als Teil unserer Flora betrachten, dann liegt es nahe, diesen auch zu nutzen. Besonders das zeitige Frühjahr bietet sich dafür an. 
Bei dieser sommergrünen Pflanze sterben im Winterhalbjahr alle oberirdischen Teile ab. Zurück bleiben die hohlen, leicht verholzten Stängel. Die schmaleren Stängel (mit einem Durchmesser von bis zu 1cm) eigenen sich bestens für den Bau einer Nisthilfe für Wildbienen. Sie lassen sich leicht sammeln, brechen und zuschneiden; zudem sind sie massenhaft und kostenfrei zu finden. Achten Sie bei der Verwendung allerdings darauf, dass Sie bei der Nutzung der Stängel keine Wurzeln bzw. Rhizome des Knöterichs verbreiten. Am besten ist es, die bodennahen Teile der Stängel schon direkt am Fundort zu belassen/zu entsorgen. Nisthilfen selber zu bauen ist viel einfacher, als Sie denken. Hier erfahren Sie, wie Sie Nisthilfen für Hohlraumbewohner am besten gestalten können:

Nisthilfe bauen

Man kann das Wachstum des Japanischen Staudenknöterichs aber auch ein wenig eindämmen, indem man ihn einfach verspeist. Unter dem Namen Itadori in Asien als Gemüse verkauft, sind für uns und kulinarisch besonders die ganz jungen, säuerlich schmeckenden Triebe des Frühjahrs interessant. Man erntet sie am besten mit rund 20cm Wuchshöhe. Vom Aussehen her sehen sie dann dem grünem Spargel recht ähnlich. Im Geschmack erinnert der Staudenknöterich an Rhabarber. Und genau wie dieser kann er auch in Rezepten verwendet werden. In Kompott, Kuchen oder Konfitüren merkt man nach Zugabe von ein paar Spritzern Zitronensaft kaum einen Unterschied zum Original. Aber auch für würzige Chutneys, als Kochgemüse oder als knackige Zugabe in Salaten eignen sich die Frühlingstriebe. Geschält und in Salz gestippt sind sie ein interessantes Fingerfood. Gebleicht und wie Sauerkraut eingelegt, gelten sie als japanische Delikatesse. 

Einfach mal ausprobieren, zum Beispiel Staudenknöterich-Marmelade. Dafür 1 kg Frühlingstriebe vom Staudenknöterich entblättern und in ca. 2 cm große Stücke schneiden. Zusammen mit 100 g Zucker, 50 ml Wasser und einer Prise Salz etwa 30 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen und heiß in sterilisierte Gläser füllen.

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