BUND-Landesverband Hamburg

Saubere Luft, weniger Lärm

Mit Anjes Tjarks hat Hamburg erstmals einen grünen Verkehrssenator. Wir haben ihn zu seinen wichtigsten Vorhaben interviewt.

Zunächst herzlichen Glückwunsch zur Wahl und zur Ernennung zum Senator für Verkehr und Mobilitätswende. Was sind die drei wichtigsten Maßnahmen, die Sie noch in diesem Jahr umsetzen wollen?

Anjes Tjarks: Ein wichtiger Punkt ist die Umsetzung der vereinbarten Pop-up-Bike-Lanes und wir wollen erste Teile des Innenstadtkonzeptes sichtbar machen. Es wird am Ballindamm einen XXL-Fahrradweg mit 2,75 m Breite gebaut, der wirklich etwas hermacht. Und es wird erste Maßnahmen zum Hamburg-Takt geben.
 

Wie viele Kilometer Fahrradewege wollen Sie in einem Jahr fertiggestellt haben?

Anjes Tjarks: Ich lasse mir gerade die aktuellen Zahlen zusammenstellen, wo wir Ende 2020 voraussichtlich landen. Mein Haus klärt jetzt, wie wir die Zielzahlen erreichen, aber so ein Bauhochlauf dauert auch seine Zeit. 
 

Bürger-Anträge zur Einführung von Tempo 30 wurden bislang schleppend bearbeitet und mit nicht nachvollziehbaren Gebühren belegt. Wollen Sie sich diese Schikane-Politik ändern?

Anjes Tjarks: Die Anordnung von Tempo 30 liegt weiterhin bei der Innenbehörde. Aber mein Haus wird im Rahmen des Verfahrens beteiligt und ich sehe noch Potenzial für weitere Tempo-30-Zonen, insbesondere dort, wo die Lärmgrenzwerte überschritten werden. Einzelne Anträge von Bürgern kenne ich noch nicht.
 

Die Zusammenarbeit zwischen Verkehrs- und Umweltbehörde war in der letzten Legislaturperiode nicht gut. Beim Lärmaktionsplan und beim Luftreinhalteplan gab es Blockaden. Wird sich das ändern?

Anjes Tjarks: Luftreinhaltung und das Lärmthema sind mir sehr wichtig. Wir haben gerade eine umstrittene Maßnahme zum Ferienbeginn an der A 7 durchgezogen. Damit konnte der Lärm für rund 18.000 Menschen deutlich gesenkt wurde. Hätten wir das jetzt nicht gemacht, hätten wir ein Jahr warten müssen. Noch stecke ich nicht in allen Details drin, aber wir wollen einen rechtskonformen Luftreinhalteplan aufstellen und auch den Lärmaktionsplan gemeinsam mit der Umweltbehörde auf den Weg bringen.
 

Welche Schritte werden jetzt bei der Parkraumbewirtschaftung auf den Weg gebracht? Warum dürfen Plug-in-Hybride, die mehr Sprit verbrauchen als sparsame Benziner, kostenlos in Hamburg parken?

Anjes Tjarks: Zu den Einzelregelungen für Plug-in-Hybride kann ich derzeit noch nichts sagen. Aber Parkraumbewirtschaftung ist wichtig und wir werden zum Beispiel das Anwohnerparken deutlich ausweiten. Und wir wollen in der Innenstadt Straßenparkplätze reduzieren. Über 70 % der Menschen fahren gern Rad. Wir müssen tolle Angebote machen, es muss Spaß machen Fahrrad zu fahren. Und der Platz dafür muss ja irgendwo herkommen.
 

E-Roller sind umstritten, machen den Radfahrern Konkurrenz, blockieren Gehwege und produzieren letztlich jede Menge Elektroschrott. Trotzdem fördern Sie die E-Roller – warum?

Anjes Tjarks: Der E-Roller-Boom liegt nicht in der Handhabe der Politik. Sie sind ein Lifestyle-Produkt, die aber für eine relevante Gruppe interessant ist und auf die Mobilitätswende einzahlen. Ich möchte eine Polarisierung vermeiden und nichts verbieten. Testversuche an zwei S-Bahn-Höfen machen Mut, dass da mehr geht. Ich sehe den E-Roller für die letzte Meile durchaus positiv. Aber natürlich sollen die Roller nicht den öffentlichen Raum blockieren.
 

Paris, London, Brüssel machen es vor und gehen massive Schritte in Richtung autofreie Innenstadt. Warum ist Hamburg so zögerlich?

Anjes Tjarks: Wir Grünen waren die ersten, die eine möglichst autofreie Innenstadt auf den Weg bringen wollten. Jetzt haben wir einen Kompromiss, Sie müssen aber auch beachten, dass die Städte nicht vergleichbar sind. Hamburg hat mit Alster und Elbe besondere Herausforderungen in der Verkehrsplanung.   
 

Es gibt einen Prüfauftrag im Koalitionsvertrag, der liest sich wie eine Hintertür zur Stadtbahn. Wie ernst wird der neue Verkehrssenator die Stadtbahn vorantreiben?

Anjes Tjarks: Die kurze Antwort lautet: Das Thema Stadtbahn hat für uns derzeit keine Priorität.
 

Die U5 ist nicht unumstritten, weil sie mindestens 10 Mrd. Euro kosten wird und wieder zentral über den Hauptbahnhof führen soll. Können Sie dieses Projekt auch angesichts des Wirtschaftseinbruchs durch die Coronakrise noch unterstützen?

Anjes Tjarks: Von mir gibt es ein klares Ja zur U5. Das ist ein Projekt für die nächsten 100 Jahre, da wird sich die Corona-Krise im Zeitverlauf nur als kleine Delle erweisen. Bis 2030 wollen wir 50 % mehr Fahrgäste im ÖPNV. Das schaffen wir nur mit einem konsequenten Ausbau von U- und S-Bahnen. Wir brauchen neue Kapazitäten und der schienengebundene Nahverkehr muss das Rückgrat der Verkehrswende werden. Und klar, das Thema Hauptbahnhof ist eine große Herausforderung. Er muss unbedingt vergrößert werden und es muss ein Fahrradparkhaus geben.
 

Der CO2-Ausstoss im Verkehrssektor steigt und die Zulassungszahlen für PKWs steigen in Hamburg ebenfalls. Wie soll es gelingen, noch in dieser Legislaturperiode deutliche CO2-Einsparungen zu erreichen?  

Anjes Tjarks: Ich glaube, man muss sich davon verabschieden, dass es auf Hamburgs Straßen weniger Verkehr geben wird. Wir sind eine wachsende Stadt. Die Menschen wollen mehr Mobilität, wir müssen also eine wachsende Verkehrsleistung auf unseren Verkehrsträgern abwickeln. Der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele liegt im Hamburg-Takt. Die Verbindungen müssen einfach, komfortabel und schnell sein. Der HVV wird sich zu einem Mobilitätsverbund weiterentwickeln. Ein erster Schritt dafür ist die  HVV-Switch-App. Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und eine Plattform für alle Menschen schaffen, die kein eigenes Auto haben. Öffentliche und private Mobilitätsangebote werden zu einem Gesamtpaket auf dieser Plattform zusammen gebunden.
 

Kommt die U4 auch nach Wilhelmsburg und wird sie oberirdisch weiter geführt?

Anjes Tjarks: Alle sind sich einig, dass die U4 eines Tages ins nördliche Wilhelmsburg weitergeführt wird. Wir wollen uns das in diesem Jahr gründlich angucken. Wichtig ist aber, dass wir Schienenprojekte wie S 4 und U 5, die wir jetzt vor der Brust haben, auch umsetzen. Menschen werden auf Schienen transportiert und nicht auf Plänen.    

 

Das Interview führten Manfred Braasch und Christian Schumacher.

 

 

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