BUND-Landesverband Hamburg

BUND-Fachtagung: Energiewende braucht Weniger! Effizienz- und Suffizienzpolitik für Hamburg

Bei der Tagung des BUND Hamburg und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) am 4. und 5. Juni 2015 an der HAW wurde erörtert, welche politischen Weichenstellungen in Hamburg möglich und notwendig sind, um einen Trend zum Weniger in Alltag und Wirtschaften einzuleiten und zu fördern.

Schwerpunkte waren Chancen und Herausforderungen von Suffizienz- und Effizienzpolitik in Großstädten, Weniger und Wachstum, Stadtentwicklung, Wärmeversorgung und Bürgerbeteiligung. Die Fachtagung war von mutmachenden Erfahrungen, Offenheit auch bei gegensätzlichen Perspektiven und einer guten Stimmung geprägt.

Auf dieser Seite können Sie die Tagung anhand der Präsentationen, Anmerkungen, Ergebnissammlung, Fotos und der Ausstellung nachvollziehen. Der Tagungsablauf als PDF.

Die auf Moderationskarten festgehaltenen Ergebnisse der Beiträge der ReferentInnen, Podiumsgäste und mehr als 150 TeilnehmerInnen sind jeweils thematisch passend Vorträgen oder Schwerpuntken beigefügt.  

Donnerstag 4.6.2015 | Einführung

Die Vizepräsidentin der HAW, Prof. Monika Bessenrodt-Weberpals, die Vorsitzende des BUND Hamburg, Maren Jonseck-Ohrt, und der neue grüne Umweltsenator, Jens Kerstan, (von links) eröffnen die Tagung mit Grußworten.  

Einführung Effizienz und Suffizienz

Dr. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut (links) und Dr. Hans Schäfers von der HAW (rechts) führen in einem Interview mit unserer Moderatorin Silke Inselmann, Widserve Wissensdienstleistungen (Mitte), in die Thematiken Suffizienz und Energieeffizienz ein.

Zur Energiewende gehören nicht nur Erneuerbare Energien (Konsistenz/ Naturverträglichkeit), sondern auch Energieeffizienz und Suffizienz (generelles Ressourcensparen auf langfristig weltweit tragbarem Niveau).

Michael Kopatz argumentiert zur Begründung von Suffizienzpolitik:

Suffizientes Verhalten kommt nicht von alleine, wir brauchen Rahmenbedingungen, weil

  1. der Einzelne im Gefangenendilemma steckt, zur Gier und zum Verdrängen neigt und
  2. das ökonomische System von ungezügeltem Kapitalismus, shareholder value, Wettbewerb und Werbung bestimmt ist.

Hans Schäfers erklärt den sog. Rebound-Effekt. Beispiel Fernseher: Die brauchen pro cm² immer weniger Strom, dafür werden sie immer größer und statt einem gibt es drei im Haushalt. Dadurch wird ein Teil der Effizienzgewinne wieder rückgängig gemacht. Also hilft Effizienz nur weiter, wenn wir trotzdem suffizient fernsehen, also weiterhin nur einen (oder keinen) Fernseher zu Hause haben.  

Schwerpunkt Herausforderung wachsende Stadt

Manfred Braasch, BUND Hamburg, zeigt auf, wo Hamburg im Klimaschutz und beim Verbrauch einiger bespielhafter Ressourcen steht, sowie welche Wachstumspläne die Regierung hat.

Vortrag: Wohin steuert Hamburg von Manfred Braasch, BUND Hamburg  

Suffizienzpolitik für eine Großstadt

Michael Kopatz zeigt anhand vieler Beispiele, dass Großstädte und andere politische Ebenen viele Möglichkeiten für Maßnahmen bieten, die einen ressourcenschonenden Alltag erleichtern oder vorschreiben (Bsp. Wattbegrenzung bei Staubsaugern) und gleichzeitig die Lebensqualität steigern, allen voran im Verkehr und bei der Flächenpolitik.

Die Karten-Mitschrift vom Vortrag und der Beiträge aus dem Publikum zu Suffzienzpolitik, u. a. Vorschläge für Suffizienzmaßnahmen für Verkehr und andere. Hierbei der Publikumsliebling: Tempo 30 in ganz Hamburg, mit großem Abstand Spitze bei der Punktevergabe der TeilnehmerInnen. 

Ganz einfach für zu Hause: Wäscheklammern statt Wäschetrockner. Nachdrücklich vermittelt durch das Verteilen der klimaschonenden Variante im Publikum. Wäschetrockner verbrauchen ca. 6 % des Stroms im Durchschnittshaushalt!

Statt des Vortrags von Herrn Kopatz, hat er uns diesen Beitrag "Ich will, wenn du willst! Das Entscheidungsdilemma von Bürgern und Kommunen überwinden" aus "Verbraucherpolitik in der kommunalen Praxis" für die Dokumentation empfohlen. 

Machbarkeitsstudie und Bürgerbeteiligung für ein klimaneutrales Berlin 2050

Dr. Fritz Reusswig vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung berichtet vom Berliner Herangehen für eine klimaneutrale Stadt 2050. Auffallende Unterschiede zu Hamburg sind, dass es

  1. eine wissenschaftlich basierte Machbarkeitsstudie gibt, diese
  2. in die Szenarien Effizienzpfad und Suffizienzpfad unterteilt ist und
  3. erste Schritte der Umsetzung mit Beteiligung der Bevölkerung angegangen werden.

Die Beteiligung war online organisiert, ca. 3.000 haben teilgenommen, womit nur eine bestimmte Zielgruppe erreicht wurde. Allerdings sind daraufhin einige Umsetzungsvorschläge, die vorher von der Stadt und Projektgruppe aussortiert wurden, wieder in den Katalog aufgenommen worden. U. a. soll ein Projekt gestartet werden, in dem 100 Haushalte versuchen, mit 1 t CO2 pro Jahr auszukommen.  

Schwerpunkt Die Wachstumsfrage

Prof. Niko Paech von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg stellt in seinem Impuls zu Suffzienz und Wachstum seine Kritik am Wachstums- und Konsumideal, die Postwachstumsökonomik, für die er ein sehr bekannter Vertreter ist, und deren Vorschläge für einen Weg zu suffzientem Leben und Wirtschaften vor.

Auf die Frage von Fritz Reusswig, was Niko Paech für nächste Schritte in Berlin vorschlägt, kommen vier Schlagworte, die im Laufe der Tagung immer wieder auftauchen:

  • sich Zeit lassen
  • nicht gleich die Massen bewegen wollen, sondern die naheliegenden mitnehmen, die wollen
  • Blaupausen für suffiziente Lebensbereiche erschaffen, die von späteren Willigen oder durch Krisen gezwungene kopiert werden können
  • Suffizienz-Pioniere stärken und sprechen lassen.

Diese Stichworte finden sich auch in der anschließenden Diskussion wieder:

Podiumsdiskussion "Hafen, Olympia, 100.000 neue Wohnungen. Geht Weniger in Hamburg?"

von links: Dr. Sven Schulze vom HWWI, Prof. Niko Paech, Dr. Hans Schäfers, HAW, die Moderatorin Silke Inselmann, Katja Karger vom DGB Hamburg, Manfred Braasch, BUND Hamburg.

Highlights daraus:

  • Thema "reguläre 20 h Woche", ein wichtiger Pfeiler der Suffzienzpolitik: Katja Karger vom DGB Hamburg zitiert den Hafenarbeiter: "Ich will nicht weniger arbeiten, ich will die Scheiß-Kohle!". Nimmt dann aus der Diskussion mit, dass ja nicht gleich alle reduzieren müssen, sondern erst mal nur die, die wollen. 
  • Olympia: Während Manfred Braasch vom BUND die Bewertung von Olympia an Umweltkriterien festmacht, lehnt Niko Paech Olympia rundweg als dekadent ab, egal wo auf der Welt. 
  • Nach einer Kritik aus dem Publikum, die Podiumsgäste würden aneinander vorbei reden, hält Katja Karger fest, dass es schon ein großer guter Schritt sei, dass BUND und DGB einander zu diesem Thema überhaupt zuhören, nach vielen Jahren Ferne.

Mitschrift der Ergebnisse aus dem Block "Die Wachstumsfrage".  

Freitag, 5.6.2015 | Schwerpunkt Stadtentwicklung

Energieeffiziente Siedlungsstrukturen

Prof. Jörg Dettmar von der TU Darmstadt stellt ziemlich einleuchtend vor, wie durch Bepflanzung an Hauswänden, auf Dächern und zwischen Häusern

  1. die Häuser besser vor Hitze und Kälte geschützt sind und
  2. in Kombination mit Wasserläufen und -Flächen das Stadtklima bei schlimmer werdenden Hitzewellen und tropischen Nächten, die in Europa schon viele tausende Tote gefordert haben, abgemildert wird.

Das Schöne ist, dass es dazu bereits Planungsinstrumente gibt, die in Bottrop auch angewendet werden. Anlass genug für eine Bergedorfer Bezirksabgeordnete zu fragen, ob Herr Dettmar das nicht gleich für die Stadtplanung in Bergedorf anwenden könne.

Vortrag "Energieeffiziente Siedlungsstrukturen", Prof. Jörg Dettmar von der Technischen Universität Darmstadt.

Anschließend ergänzt Michael Kopatz: Viele Menschen leben gerne in der Stadt wegen der Dichte zu Menschen und der Vielfalt. Das Problem ist der Verkehr!

Stromaufwärts an Elbe und Bille. Wohnen und urbane Produktion in HamburgOst.

Marit Pedersen, die Leiterin der Abteilung Landes- und Stadtentwicklung im Amt für Landes- und Landschaftsplanung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt stellt unter obigem Titel ein sehr großes, bedeutsames Stadtentwicklungsprojekt vor. Es reicht von Berliner Tor bis Mümmelmannsberg und umfasst 13 Schwerpunkte. Anhand dessen lernten wir auch einiges über die Entwicklung und die Leitbilder der Stadtentwicklung.

Vortrag "Stromaufwärts an Elbe und Bille. Wohnen und urbane Produktion in HamburgOst." von Marit Pedersen, Teil 1 und Teil 2.

Diskussion: Wie gut ist Stadtentwicklung für nachhaltige Ziele aufgestellt?

Im Feedback von Prof. Dettmar auf die Entwicklung HamburgOst und der anschließenden Diskussion zur Stadtentwicklung wurden einige Punkte sehr deutlich herausgestellt, auch vom Publikum:

  • Stadtplanung soll politische Ziele für die BürgerInnen verfolgen, nicht die Investoreninteressen.
  • Bauen für den sozialen Bedarf, nicht so viel für Reiche
  • Räume und Flächen für Subsistenz einplanen
  • Kein Verkauf öffentlicher Flächen, besser Erbpacht
  • Es soll ein Versiegelungsmoratorium geben.
  • Bestandssanierung vor Neubau
  • Wasser und Grün
  • Lebensqualität!
  • langfristige Stadtplanung, Legislaturperioden überdauernd
  • nachhaltige Baustoffe

Hier die gesammelten Ergebnisse aus dem Schwerpunkt Stadtentwicklung.  

Schwerpunkt Wärmeversorgung

Hamburger Wärmestrategie - von Handlungsfeldern und Perspektiven

Dr. Björn Dietrich, Leiter der Abteilung Energie in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, nimmt uns mit auf eine Reise in die Grundlagen der Hamburger Wärmestrategie ein. Hierbei geht er besonders auf den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel, die Fragen zum Hamburger Wärmekonzept, das derzeit von der Behörde erarbeitet wird, Quartierskonzepte, Förderprogramme und die Einbindung von Unternehmen ein. Ein interessanter Aspekt ist u. a. das geschätzte Potential erneuerbarer Wärme für Hamburg.

Vortrag: Hamburger Wärmestrategie - von Handlungsfeldern und Perspektiven von Dr. Björn Dietrich.

Landespolitische Instrumente für eine sozial-ökologische Wärmeversorgung

Christian Maaß vom Hamburg Institut und ehemaliger Staatssekretär Umwelt, stellt die Grundzüge und eine Auswahl der vorgeschlagenen politischen Instrumente einer vom BUND Hamburg in Auftrag gegebenen Studie vor. Schwerpunkte sind eine Wärmeplanung, mietenneutrale Sanierungen, die soziale Ausrichtung der Förderpolitik und erneuerbare Fernwärme.

Vortrag: Landespolitische Instrumente für eine sozial-ökologische Wärmeversorgung von Christian Maaß

Studie: Ökologisch-Soziale Wärmepolitik für Hamburg vom Hamburg-Institut im Auftrag des BUND Hamburg.

Im anschließenden Gespräch zwischen Dr. Dietrich und Herrn Maaß mit Eindbindung des Publikums wurde einige Punkte deutlich:

  • Das von der Behörde geschätzte Potential für Erneuerbare Wärme reicht nicht für eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Es lohnt sich, hier gründliche Untersuchungen zu machen.
  • Saga in die Pflicht nehmen, dafür Gewinnerwartung reduzieren
  • Mehr Bedeutung des Sanierens im Bündnis für das Wohnen
  • Medienkampagnen gegen Dämmung macht große Schwierigkeiten

Die gesammelten Ergebnisse vom Block Wärmeversorgung gibt es hier.  

Schwerpunkt Beteiligung

Fishbowl: Welche Beteiligungskultur braucht Hamburg für eine Weniger-Politik?

Ein Fishbowl ist eine Beteiligungsform, in der das Publikum zu Diskutanten wird, indem sich TeilnehmerInnen für ihren Beitrag auf einen freien Stuhl der Runde setzen. Dr. Manuel Gottschick von Our Common Future Consulting leitet ins Thema Beteiligung ein:

"Beteiligung" ist nicht gleich "Beteiligung". Die Ziele und Grenzen eines Beteiligungsverfahrens müssen deutlich werden.

Bei Beteiligungsverfahren gibt es verschiedene Ziele:

  • Kommunikation zur Vermittlung und Interpretation von Positionen und Wissen,
  • Konsultation im Vorfeld von Entscheidungen und
  • Kooperation zur Entwicklung von Bewertungskriterien und Entscheidungen.

Vorsicht vor Schein-Partizipation.

Wichtig ist das Verhältnis von Wissen und Macht im Blick zu haben:
--> Macht! versus Wissen! Wissen ist Macht und Macht selektiert Wissen!

Dr. Gottschicks Vorschlag für Konsultationen und Kooperationen:

  • Gute Gestaltung und Moderation des Prozesses
  • Stakeholder/Akteurs-Analyse
  • Im Vorfeld
  • Einigung über Ziele
  • Einigung über Prozess
  • Einigung/Austausch über die Problemsituation
  • Einigung/Austausch über die Bearbeitungsgrenzen
  • Wissensbasiert mit Faktencheck
  • Betroffenheitsanalyse: Interessen, Machtverhältnisse, Wertesysteme
  • Herausarbeiten der Kontroversen, Typisierung, Konfliktbearbeitung
  • Konsens anstreben, Pluralität ermöglichen

Hier eine Mitschrift der Beiträge auf Moderationskarten zum Thema Beteiligung.  

Ergebnissammlung

Vorschläge, Bestärkungen, Kritik, Ergebnisse, offenen Fragen und Kommentare wurden vom Veranstalter und den TeilnehmerInnen auf Karten gesammelt.

Eine vollständige sortierte Ergebnissamlung gibt es hier, also die Essenz der Tagung. Hierin findet sich auch das Ergebnis der Punkte, die die Teilnehmer nach Wichtigkeit auf die Karten verteilt haben.

So sahen die bunten Ergebniswände aus:

Ausstellung

Der AK Energie des BUND Hamburg hat die Ausstellung "Mensch - Weniger lohnt sich" erstellt.

Der FÖJler des BUND Hamburg, Fabian Bäcker, hat drei Steckbriefe von unterschiedlichen Suffizienzmaßnahmen beigesteuert.

Der Zukunftsrat Hamburg bringt jedes Jahr die  HEINZ - Hamburg Entwicklungsindikatoren Zukunftsfähigkeit heraus. Eine Auswahl von 2013 haben wir ausgestellt.

Grünflächen sind bedeutsam für eine lebenswerte Stadt. Daher ein Teil der BUND-Ausstellung "Lass wachsen"

Der Bundesverband Windenergie hat Roll-Ups zur Windkraftnutzung auf Frachtschiffen aufgebaut. 

Bilder der Tagung

Die Teilnehmer haben sich mit Fragen und Statements zu den Vorträgen, in Diskussionen und beim Fishbowl vielfältig beteiligt.  

Vielen Dank!

an die vielen Helferinnen und Helfer vor Ort! 

Jan Philipp, Jürgen, Paul, Angelika, Wolfgang, Ive, Kerstin, Jochen, Katrin, Katharina und Sabina (für die organisatorische Unterstützung an der HAW) und Caroline, Ben, Fabian, Frauke und Susanne!

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