BUND-Landesverband Hamburg

Wiesen-Sommer-Konzert

15. Juli 2020

Eine weibliche Metrioptera Roeselii (Rösels Beißschrecke), findet man in naturnahen, langgrasigen Wiesen

An warmen Sommerabenden zirpt und schwirrt es in unseren Wiesen, unzählige Heuschrecken geben ihr lautstarkes Konzert – für Naturliebhaber ein fester Bestandteil des Sommerfeelings. Die Lauterzeugung der Heuschrecken entstammt einem körpereigenen, artspezifischen Instrument - vergleichbar einem Waschbrett, auf dem fleißig herumgeschrubbt wird:

Langfühlerschrecken (z.B. Grillen) nutzen i.d.R. ihre beiden Vorderflügel, die leicht angehoben und dann aneinander gerieben werden. Das Geräusch entsteht durch eine mit Querrippen versehene, so genannte Schrill-Leiste an der Unterseite des oben liegenden Flügels, die beim unteren Flügel auf eine Schrill-Kante trifft.

Die meisten Kurzfühlerschrecken (im Volksmund: Grashüpfer) können keine Laute erzeugen. Einige Arten jedoch können zum Sommer-Konzert beitragen, indem sie mit einem oder beiden Hinterschenkeln über die Flügel streichen. Auch hier sind wieder Leisten oder Kanten eingebaut. Bei den recht leisen Ödlandschrecken sind es winzig gezähnte Flügeladern. Außerdem bilden die Tiere mit den Flügeln ein kleines Dach, das als Resonanzkörper lautverstärkend wirkt. Die Sumpfschrecke dagegen musiziert, indem sie ihre Hinterbeine nach hinten schleudert und so einen Ton erzeugt, der wie ein Fingerschnippen klingt.

Die Musiker dieser „Schrecken-Konzerte“ sind i.d.R. die männlichen Tiere, die derart versuchen, die Weibchen zu bezirzen. Denn das ist das Ziel dieses musikalischen Wettstreites: ein Weibchen anzulocken. Ist das Werben von Erfolg gekrönt, findet die Befruchtung meist durch Übertragung eines Spermienpakets statt. Beim Trennen der Partner bleibt ein tubusförmiger Teil im weiblichen Genitaltrakt stecken. Bis er resorbiert ist, verhindert er Befruchtungsversuche anderer Männchen. Die Eiablage erfolgt mit Hilfe einer Legeröhre, die bei einigen Arten wie ein nach oben geschwungenes Schwert aussieht. Aus den Eiern schlüpfen dann die Larven, die den erwachsenen Heuschrecken schon sehr ähnlich sehen, und dies mit jeder Häutung mehr.

Heuschrecken wurden schon in vorgeschichtlicher Zeit zeitweilig mit Schrecken betrachtet. Denn es gab (und gibt bis heute) immer wieder gefräßige Massenschwärme von Wanderheuschrecken. In der Bibel allein werden sie dreißig Mal erwähnt, und aus dem Mittelalter sind in Europa 400 Einfälle dokumentiert. Einer der größten bekannt gewordenen Schwärme fiel im Jahre 1784 in Südafrika ein. 300 Milliarden Heuschrecken bedeckten 3.000 km² Fläche und fraßen 600.000 Tonnen Pflanzen. Nachdem sie durch den Wind aufs offene Meer hinausgetrieben wurden, spülte das Wasser die toten Schrecken ans Land zurück, wo sie sich auf einer Länge von 80 Kilometern über einen Meter hoch auftürmten. Doch wir müssen gar nicht so weit zurück schauen: Seit dem Jahre 2019 führt ein millionenfaches Heer von Wüstenheuschrecken speziell am Horn von Afrika und in Pakistan zu großen Schäden in der Landwirtschaft und gefährdet damit akut die Nahrungsmittelversorgung in der ohnehin krisengebeutelten Region.

Der Name „Schrecke“ entstammt allerdings dem mittelhochdeutschen Wort "skriken", was so viel wie „(auf)springen“ bedeutet. Das Sprungvermögen ist sicherlich die auffallendste Eigenschaft dieser Insekten. Durch ruckartige Streckung eines Beingelenks kann z.B. die Feldheuschrecke einen Meter weit und die Gemeine Strauchschrecke 66 Zentimeter springen, das Dreißigfache ihrer Körperlänge.

Beobachtungstipp: immer dem Zirpen nach
In hochgrasigen Wiesen, an Wegrändern oder auf innerörtlichen Brachen kann man die Heuschrecken am besten finden. Laufen Sie immer dem Ohr nach, jedoch so behutsam wie möglich, um die Schrecken nicht zu verschrecken. Die meisten Arten singen tagsüber und bei Sonnenschein.

Ein Erlebnis der besonderen Art ist es, einmal eine Heuschreckentour im Dunkeln zu unternehmen. Feld- und Maulwurfsgrille, Weinhähnchen und Grünes Heupferd sind bis spät in die Nacht aktiv und lassen ihren artspezifischen Gesang weithin hören. Achtung: Als wechselwarme Tiere brauchen Heuschrecken Wärme, um ihre Körpertemperatur zu regulieren. Bei Kälte sind ihre Bewegungen langsamer, die Tonfrequenz ändert sich und die gleiche Heuschrecke hört sich vollkommen anders an. Außerdem hat jede Art hat ihren eigenen Rhythmus und ihren eigenen Klang. Bei rund 80 Heuschreckenarten in Deutschland sollte da für jeden ein ansprechender Ton dabei sein.

 

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