BUND warnt: Die neue Rote Liste täuscht!

20. Oktober 2023 | Artenschutz, Naturschutz

Tagfaltern in Hamburg geht es schlecht

Die gerade neu veröffentlichte Rote Liste der Tagfalter in Hamburg legt nahe, dass es den tagaktiven Schmetterlingen (Tagfaltern) in Hamburg wieder besser geht: Der Vergleich mit der Vorgängerliste zeigt Verbesserungen und im neuesten Verbreitungsatlas häufen sich die Nachweispunkte. Geht es also bergauf mit den Hamburger Tagfaltern?

„Das wäre ein großes Missverständnis“ sagt Wolfram Hammer, Naturschutzreferent des BUND. „Die aktuelle Rote Liste bildet den tatsächlichen Niedergang der Tagfalterbestände in Hamburg nicht ab. Diese Tatsache hätte in der Veröffentlichung deutlich dargestellt werden müssen!“

Fakt ist, dass die meisten Arten in Hamburg in den letzten Jahren seltener geworden sind – nach allgemeinem Verständnis müssten fast alle als stärker gefährdet eingeschätzt werden als früher. Das schlägt sich aber in der Roten Liste nicht nieder. Stattdessen führen Bewertungsveränderungen und Verzerrungen in Wahrnehmung und Darstellung dazu, dass die amtliche Rote Liste und der Verbreitungsatlas die Situation massiv beschönigen.

„Die Bewertungsmaßstäbe für die Roten Listen werden von der Bundesbehörde vorgegeben. Aber Hamburg ist in der Pflicht, seine Bürger und Bürgerinnen über die tatsächliche Lage zu informieren. Das hätte in einer so umfangreichen Veröffentlichung zwingend Platz finden müssen. Diese beschönigende Darstellung kann dazu führen, dass bestehende Probleme nicht angegangen werden“, so Hammer.

 

Ursachen für die Verzerrung der Roten Liste sind:

  • Die vorgegebenen Bewertungs-Maßstäbe wurden verändert, sie führen aktuell zu besseren Neu-Einstufungen. Ein Vergleich mit früheren Roten Listen führt deshalb zu einer falschen Einschätzung der tatsächlichen Situation.
  • Für die letzten Jahre liegen deutlich mehr Nachweis-Daten vor, dadurch wird die Häufigkeit der Arten in den letzten Jahren systematisch überschätzt und führt dann zu Fehlbewertungen.
  • Die Wahrnehmung der Erfasser*innen und Expert*innen verschiebt sich allmählich. Bei der Einschätzung von Falterbeständen spielen geschätzte Mengenangaben wie „häufig“ „zerstreut“ und „vereinzelt“ eine große Rolle. Während heute zum Beispiel zehn Falter einer Art, die man in einem Lebensraum beobachtet, als häufig eingeordnet werden, wurde die gleiche Anzahl vor 30 Jahren noch als „zerstreut“ oder sogar „vereinzelt“ verzeichnet. (Im wissenschaftlichen Umfeld heißt dieses Phänomen „shifting baselines“.)
  • Prinzipiell ordnet die Rote Liste nur in wenige Gefährdungsstufen. Veränderungen innerhalb einer Stufe bildet sie nicht ab. Wenn fast alle Arten seltener werden, wie derzeit der Fall, aber damit keine Art die Bewertungsschwelle zur nächsten Gefährdungsstufe unterschreitet, zeigt die Rote Liste das nicht auf.
  • Der Atlas verzerrt die Darstellung zusätzlich, indem er die Nachweise von 2000 bis 2023 zusammenfasst. Da hier bei weitem die meisten Datensätze vorliegen, vermittelt die Darstellung den häufig falschen Eindruck, die Arten hätten gegenüber dem vorangehenden Zeitraum zugenommen.

 

Für Rückfragen: Wolfram Hammer, Naturschutzreferent BUND Hamburg, Tel. 040 600 387 19 wolfram.hammer(at)bund-hamburg.de

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